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Vor einigen Tagen schlich ich mich erstmals in eine der Proben zur "Passion".

Zusammen mit meinem großen Kind sahen wir im Dunkeln, wie plötzlich ein weißes Gewand über den Vorplatz der evangelischen Kirche in Gelsenkirchen Rotthausen huschte. Auf dem Weg zm Eingang witzelten wir noch, an welcher Stelle der Leidensgeschichte der Regisseur wohl ein Gespenst eingebaut haben möge - bis mir das Lachen im Halse stecken blieb.

Just in dem Moment als Jesus am Kreuz seine letzten Worte spricht, blickte ich durch den schweren Vorhang, der den Kirchenraum vom Vorraum abtrennt - und erstarrte.

Es war nicht mehr der Laien-Schauspieler Jesse Krauß, der dort weit oben in der Kirche an einem Holzgerüst hing, sondern, so schien es, Jesus persönlich.

Alle je gesehen Jesusdarstellungen am Kreuz, alle Pietas schossen mir durch den Kopf. Ja, genau so sah er aus: Ein lebendes Gemälde. Lebensrealistisch aus einem solchen entstiegen.

Nun kenne ich ihn persönlich ziemlich gut und der halbnackte Körper keine Überraschung für mich, aber in dieser Atmosphäre, mit einer ganz ganz anderen Stimme und in fremdartig wirkende Kleidung gehüllt, erkannte ich ihn auf einmal nicht mehr.

So fragil, geschunden und leidend, später in den Armen seiner "Mutter" halb auf dem Kirchenboden liegend -
berührend bis zum Anschlag.

Es ist eine Sache, die Leidensgeschichte in der Bibel zu lesen, zu hören und sie im Wortlaut schon fast verinnerlicht zu haben - eine andere, plötzlich Menschen diese Worte sprechen zu sehen, den Klang einer angstverzerrten Stimme zu hören und - ja - und die Körperlichkeit des Auftritts.

Leiden ganz nah an der Schmerzgrenze.