nucleus-magazin

Dienstag, 5. Februar 2013

oder was der Tag mit sich brachte.

A sudden change in my inner life.

Eigentlich stand heute ein Arzttermin in Dortmund an, da der Arzt erkrankte, kam alles anders.

Der Alltag wurde eingeläutet und dazu gehört auch das virtuelle Blättern in Blogs und auf Homepages.

Bei pito stieß ich auf eine Zeichnung, die mir als der Ausdruck absoluter Hoffnungslosigkeit erschien und das war mir irgendwie unerträglich, so dass ich das Wort "schwerstmehrfachbehindert" in Bildern in die Suchmaschine eingab, um es als Link kommentierend im Sinne von: hej, Life is worth living! zu verwenden.

In der langen Reihe der nun aufgeführten Bilder fiel mir das Gesicht einer gesund aussehenden, älteren Frau auf und meine Aufmerksamkeit verschob sich von meiner ursprünglichen Absicht hin zu ganz persönlichem Interesse, meinem Faible für xKurzgefasstes. Werde mich noch dazu äußern.

Normalerweise zweifele ich immer gerne, ob mich derart gestaltete pauschale Erkenntnisse irgendwohin bringen, aber (auch) diesmal war es ein unerwarteter und heftiger Einbruch in mein Leben.

Ihr Name ist Bonnie Sherr Klein, hier ist sie:
http://www.unrulysalon.com/images/Klein.jpg

Trotz dieser kleinen "Ablenkung" kam ich dann doch noch zum Thema Leben!, denn sie ist tatsächlich behindert - worden, durch ihren schweren Schlaganfall mit 46. Sie konnte lange nicht in ihrem Beruf als Filmemacherin arbeiten und hat bleibende Schäden in ihrer Beweglichkeit, aber auch allgemeinen Verfasstheit davon getragen: Wie sie es im Film formuliert, vor allem der Verlust ihrer Identität ließ sie verzweifeln, sie wollte nicht behindert sein und nichts damit zu tun haben.

Jetzt bin ich sowieso ein zart besaitetes Wesen und folge häufig gerne dem Wahlspruch meiner Oma, nur das Schöne sehen zu wollen und neige dazu, derartige Filme einfach nicht zu schauen. Meine Oma meinte in späteren Jahren vor allem aber, nicht in das allgemeine Gesundheitsgejammere ihrer Altersgenossinnen einzustimmen, nicht in Klatsch und Tratsch und vor allem sich immer einen Blick für das Schöne zu bewahren.
Also fast hätte ich den Film verpasst - wenn nicht das Wörtchen ART darüber gestanden hätte.

Art also, die Kunst des Behindertseins.

Aber schon zu Beginn des Films war ich nicht mehr sicher, ob ich ihn weiterschauen wollte.

Gut, dass ich durchgehalten habe.

Der Film wurde zu einer Reise in mein Ich, nicht ohne viele viele Tränen.

Tränen der Hoffnung und ganz überraschender innerer, also gefühlter, Erkenntnis über das Dasein.

Über die so grenzenlose Stärke der Liebe.
Ja.
Die anscheinend irgendwie bekannte Form von Liebe, bekam mit diesem Film eine deutliche Horizonterweiterung.

Ich habe Bilder und Emotionen gesehen, die ich nun überhaupt nicht erwartet hatte, das begann mit dem Postkartenband "Drawing the line" mit Fotos von lesbischen Frauen, den die heterosexuelle Filmemacherin zeigt, um die gegensätzliche Beziehung zu einer der Protagonistinnen des Films zu erklären - diese stellt sich so nebenbei als invisibly disabled mit ihrer Partnerin vor.

Dann die Geschichte von David Roche oder vielmehr die seiner Frau.
Sie sah als Masseurin seine Entstellung, nahm sie wahr, aber nicht wichtig.
Sie hatte sich schon verliebt.
Fertig.
Alles schon passiert.

Und von der fantastischen Catherine Frazee - bis zu dem Moment ihrer Geburtstagsfeier erfährt der Zuschauer nichts Persönliches von ihr. Plötzlich packt die bisher nicht in Erscheinung getretene Frau neben ihr das Päckchen für sie, die Schwerstmehrfachbehinderte, aus und es steht "queer" auf der Verpackung.
Und - es stellt sich heraus, die beiden sind seit fast dreißig Jahren ein Paar! Auf die Frage, wie das denn geschehen sei - witzeln sie sich von verführt bis einfach okkupiert. -

Es geht nicht darum, dass ich Behinderten Sexualität abgesprochen hätte - meine gesundheitlichen Einschränkungen behindern mich auch in vielerlei Hinsicht und trotzdem bin ich nicht asexuell.
Es geht darum, dass es e g a l war.
Bei all diesen Paaren.

Das hat mich so endlich gepackt und - befreit.
Es ist tatsächlich möglich, dass ich jemandem begegne, der mich liebt, trotz meiner Schwächen und Disabilities.
Der mir, wenn es trotz ärztlicher Kunst nicht mehr hinzukriegen sein sollte, die Treppen heraufhilft und dem ich in Anderem eine Stütze bin.

Da ich früher äußerlich eine sehr hübsche und attraktive Frau gewesen bin, die in der Hauptsache nur einmal lächeln musste, um Aufmerksamkeit zu erregen, ist mein Aussehen und mein Gesundheitszustand in den letzten Jahren eine Prüfung gewesen, der ich gerne ausgewichen wäre.

Als ich mich vor fast zwei Jahren innerhalb von Sekunden verliebte, dachte ich in der Folge immer darüber nach, warum sie, wissend, was mich und mein Leben beschwert, diese Nähe zu mir suchte.
Vielleicht war es gerade auch das, was mich händelbar und harmlos erscheinen ließ - aber letztendlich doch nach wesentlicheren Antworten verlangte.

Ich weiß nicht, ob meine körperlich schwächelnde Konstitution auch ein Grund dafür war, sich in letzter Konsequenz gegen eine Weiterführung dieser Beziehung zu entscheiden - wobei: es ist vielleicht nicht schlecht, über seinen "Marktwert" zu philosophieren, aber es sollte nicht selbstzerstörend wirken.

Deshalb habe ich das als eine von Dutzenden von Möglichkeiten einfach zugelassen.

So schwang das bis heute immer mit und belastete mich vor allem in Hinsicht auf das Eingehen neuer Beziehungen - seit dem ich krank bin, habe ich immer damit gerechnet, nicht mehr gewollt zu werden, separiert und alleine die nächsten Jahrzehnte verbringen zu müssen.

Shameless - schamlos, nicht in einem dreisten Sinne, sondern im Sinne von "schäme Dich nicht Deiner Bürde" und verwandele sie nach Möglichkeit in etwas Gutes für Dich und auch andere, ist ein so wesentlicher Film, dass ich ihn einfach empfehlen muss, insbesondere für die, die mit sich hadern.

Er strahlt so viel Meisterschaft in Lebensführung aus, dass er einen wirklich
b e w e g e n kann, wenn man bereit dazu ist. Ich war es offensichtlich und ich freue mich sehr, dass es dem Leben gelungen ist, zu mir und in mein Sein vorzudringen.

Gucken!


Shameless: The ART of Disability by Bonnie Sherr Klein, National Film Board of Canada

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Diapason der Empfindungen
Nun habe ich dieses Video zweimal angeschaut.
Einmal alleine, einmal zu zweit.
Einmal vormittags, einmal spätabends.

In beiden Fällen entwickelte ich eine spontane innere Abwehrhaltung bei der Sequenz, in der die Filmemacherin ihr Familienleben porträtiert.

Hingegen zauberte mir die Stelle, in der Catherine mit ihrer Partnerin ein Bad nimmt, ein Lächeln ins Gesicht und ließ ein echtes Glücksgefühl aufkommen.

Was diese beiden haben, ist längst nicht nur ART of Disability, sondern Glück.

Wirkliches Glück.

Auch David und seiner Partnerin ist dies zuteil geworden.

Warum konnte ich das bei Frau Klein nicht empfinden?

Geoff und Persimmon haben mich unentschieden gelassen - bei beiden habe ich eine innere Einsamkeit gespürt, bei letzterer trotz Partnerschaft.

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noch ein wenig Geduld...
wie ich sehe, gab es schon eifrige Nachfragen nach einem Begriffspaar.

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Letzte Aktualisierung: 2014.07.26, 12:50
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