nucleus-magazin

Dienstag, 18. Dezember 2012

ich dachte, es gäbe Sie in meiner Mitgliederliste und ich könne Ihren Namen anklicken und Sie anschreiben. Leider nein, wie ich sehe, sind Sie nicht dabei, und so schreibe ich Ihnen hier an dieser Stelle.

Als ich gestern Ihr Posting las, habe ich erst einmal geweint.

Nicht auch noch in dieser Sache weinen, hatte ich mir gleich zu Anfang auferlegt - stattdessen gab es jede Menge unterdrückten Zorn und Wut auf diesen Mann, der seine Attacke mit höhnischen Postings im Internet - facebook - überhaupt erst ans Tageslicht geholt und verbal noch forciert hatte. Ich wollte es ursprünglich abhaken und vergessen und mich überhaupt nicht mehr damit beschäftigen. Es war mir einfach zuwider.

Sich selbst zu wehren, ist nicht so einfach, wenn man befürchtet, noch weiter angegriffen zu werden. Und trotzdem habe ich es damals versucht, mit Worten und mit Händen und Armen.

Neulich lief er mir vor meinem Haus über den Weg und grinste mich breit an. Daraufhin schrie ich ihn an, den ganzen Weg bis zu meiner Haustür. Er duckte sich in seinen Mantelkragen, beschleunigte seinen Schritt und verschwand in der Dunkelheit. Der grinst mich nicht mehr an.

Ich lasse mir nichts mehr gefallen.

Ich hoffe, Sie haben auch einen Weg gefunden, sich gegen die Anmaßungen Ihres Vaters zur Wehr zu setzen.
Letztendlich muss man selber bestehen.
In jeder Situation und mit jedem Menschen neu.

Als Kind ist man dem Ganzen oft wehrlos ausgeliefert und doch - irgendwann habe ich zurückgetreten. Als meine Eltern mich zu zweit schlugen, trat ich nur noch um mich. Aber da war ich schon Teenager. Davor habe ich das einfach nur ertragen und nicht mal geheult. Wenigstens den Triumph wollte ich ihnen nicht gönnen.

Verbale und physische Gewalt (ohne sexuellen Missbrauch), war das Kleid meiner Kindheit. Mit der QuasiPunkZeit und den Nieten- und Stachelarmbändern begann ich, mich äußerlich als wehrhaft darzustellen.
Mit meiner Schwangerschaft mit 22 und dem Rauswurf aus dem Elternhaus, brach diese Scheinmauer aber wieder zusammen. Jetzt tat alles innerlich so weh und ich wusste mich nicht zu wehren, - was kann man gegen Lieblosigkeit und Desinteresse vorbringen?

Und jetzt?

Wie sagte Herman Neudorf, dessen Leben unter der Naziherrschaft bis an die Grenze des Aushaltbaren getrieben wurde:

"Vergeben muss man, vergessen kann man nicht."

Meine Eltern sind 63 und 75 Jahre alt - da ist nichts mehr zu ändern, besonders, wenn sie es selber nicht wünschen.
Sie müssen mit ihrem eigenen Leben klar kommen und wenn sie einmal selber das Bedürfnis nach Gespräch und Austausch mit mir haben sollten, dann würde ich mich freuen.

Stark zu sein bedeutet auch, Größe zeigen zu können, nicht herablassend, sondern nicht zackenzählend auf seine eigene Krone zu schielen. Auch überwindet das irgendwann dieses Gefühl, Opfer und aufs Leben gezeichnet zu sein.

Und, wenn das alte Grauen einen einmal wieder einholt, es als vorübergehend zu betrachten, es zuzulassen, aber nur als bypassing trespasser.

Es d a u e r t, aber es gelingt.

Ich wünsche Ihnen immer wieder neue Energie und stamina, nie versiegende Kreativität beim Selbsterfreuen und einfach Lust, mitten im Leben zu sein.

Viele Grüße,
veicolare




stong ist auch gut, ;-) hat sowas von stechen....

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Liebe veicolare,

mir fehlen die Worte. Ich verstehe, und verstehe doch wieder nicht, weil niemand dasselbe erlebt wie ein anderer. Ich kann mir nur vorstellen, wie es für Sie gewesen sein muss, von beiden Eltern zugleich angegriffen zu werden. Ich trage in mir eine alte Hilflosigkeit, die vielleicht der Ihren durchaus ähnlich ist. Ihr Schicksal hinterlässt mich kopfschüttelnd und mit ausgeprägter Gänsehaut, und wenn es möglich ist, reiche ich Ihnen über die Distanz des Virtuellen eine Hand.

Und ich stimme Ihnen zu: Das schönste Versprechen, das man sich selbst geben kann ist das des Glaubens an sich selbst, als Person, jenseits des Opfers von damals. Es ist das Versprechen von Leben - nicht statt dessen, sondern trotz allem, mit den schweren, schwarzen Buchstaben auf den Seiten der eigenen Lebensgeschichte, und doch stark und lachend und kreativ und eben nicht bitter. Diesen Gefallen wollen wir ihnen nicht tun.

Achten Sie auf sich, bleiben Sie so mutig, lassen Sie sich nicht töten - von niemandem.

Wenn Sie mailen mögen, finden Sie in meinem Impressum meine Mailadresse - aus Spamschutzgründen ist es eine Grafik, daher müssten Sie sie abtippen.

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....im Archiv
habe ich das Impressum nicht vermutet....;-)

Was auch noch wichtig ist: sich nicht verstecken oder vielleicht sogar schämen, für das, was einem zugefügt wurde.

Ich habe als Jugendliche versucht, Ansprechpartner zu finden, auch zur Vermittlung zwischen meinen Eltern und mir, aber meine Eltern ließen sich das "Hoheitsrecht" über mich in keinster Weise aus der Hand nehmen und komplimentierten Polizei und andere mobilisierten Erwachsenen zur Tür heraus. Wobei - die Polizei habe nicht mal ich gerufen, sondern sie. Als diese mich zuhause wohlbehalten absetzte, war für meine Eltern der Fall erledigt.

Später wollte ich erst einmal nicht mehr darüber sprechen, konzentrierte mich auf meine eigene Mutterschaft.
Erst wieder viel später, vor einigen Jahren, begann ich, mich damit zu beschäftigen.

Vielleicht gehe ich das Ganze auch einmal therapeutisch an, obwohl ich immer lieber erst auf Selbstheilung setze. Das ist immer so dieser Autonomiegedanke. I am not so sure about it, though - vielleicht ist es auch schon wieder ein Zuviel an Stärke, was ich mir da abverlange?

Geschlagen wurde ich möglicherweise zu zweit, weil ich im Nachhinein betrachtet, wohl doch seelisch ziemlich stark war. Meine Eltern verlangten absoluten Gehorsam in allem. Auch mit Erpressung à la "Wenn Du nicht gehorchst, dann schlagen wir zu".

Da hatte ich dann die "Wahl".

Ich fand das Nichtsprechenkönnen und Nichtsprechenwollen meiner Eltern aber immer am schlimmsten.

Ich fühlte mich der Worte nicht für würdig befunden und empfand mich als ein lästiges, klein zu haltendes Ding, das man nun mal durchfüttern musste, bis es endlich das Haus verließ oder man einen guten Grund fand, es endlich rauszuschmeißen.

Man hat ja in der Regel nur ein Elternpaar.
Eltern zu haben und doch wieder nicht, hat mich daher sehr sehr lange beschäftigt.

Vor längerer Zeit, als ich aufgrund der Erkrankung meines Kindes im ALG II - Bezug war und vor einigen Monaten, gab meine Mutter im Telefongespräch zu, sich so meiner zu schämen, dass sie bei Fragen von Nachbarn nach mir nicht wüsste, was sie antworten solle.

Ich habe versucht, ihr zu vermitteln, dass sie sich meiner nicht schämen müsse und dass eine freiberufliche Tätigkeit nichts ehrenrühriges sei- in einer Welt voller Sparkassen und großer Handelsunternehmen - ich komme aus einer hauptsächlich kaufmännischen Familie in Angestelltenverhältnissen, hat das aber keinen Wert.

Unternehmertum klingt so verdächtig selbständig.

Emanzipation aus den Schatten der elterlichen Lebensentwürfe - ein anstrengender Prozess.

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Ich habe die Spalte "Archiv", die in diesem Template bereits so hieß, aus Mangel an Kreativität nicht anders benannt. Eigentlich ist das gar kein Archiv. Ich muss mir dazu vielleicht mal Gedanken machen. Aber jetzt wissen Sie ja, wo's steht. ;-)

Dass Sie damals versucht haben, Hilfe zu bekommen, ist eine wirklich große Leistung. Ihnen war klar, dass etwas an dem Umgang Ihrer Eltern mit Ihnen nicht richtig war. Das war mir selbst lange nicht klar, und bisweilen neige ich dazu, das Kind und die Jugendliche, die ich einmal war, dafür zu verurteilen. Aber ich konnte nichts dafür.

Dass Sie nicht drüber sprechen wollten, kann ich sehr gut nachvollziehen. Man denkt, man weiß selbst für sich, was geschehen ist - wozu es ausgraben, wozu es zerreden, sich noch mal verletzbar machen, jemand anderem es anvertrauen? Ich habe auch lange in mir verschlossen, was war und dachte, das, was da im Keller bei mir liegt, hat mit allem im Hier und Heute nichts zu tun. Trotzdem saß ich oft mit meinem (damals noch Freund, heute) Mann auf der Bettkante und heulte, wenn ich mal wieder "ausgestiegen" war bei körperlicher Berührung und dichtgemacht hatte. Ich fühlte mich schuldig und mangelhaft und übermäßig prüde und dachte nur: "Es ist doch nichts!" Und ging auch oft einfach darüber hinweg, was im Nachhinein betrachtet überhaupt gar keine gute Idee war.

Es therapeutisch anzugehen, war wichtig für mich, muss aber nicht für jeden der richtige Weg sein. Natürlich möchte man es erst einmal selbst hinbekommen, aber ich kann sagen, dass für mich der Satz "Ich brauche Hilfe" einer der wichtigsten in meinem Leben war (und immer wieder ist). Es war auch der Anfang neuen Vertrauens zu anderen Menschen, das mir meine Eltern so überaus gründlich ausgetrieben hatten. In einer Familie so behandelt zu werden, macht einen zwar auch stark, aber ich finde die Frage berechtigt, wie stark man meint, sein zu müssen. Schon allein das "Müssen" ist ein Problem, und keiner ist immer stark.

Im Gegensatz zu Ihnen kam bei mir körperliche Strafe nicht ganz so massiv vor, auch wenn mich das sehr geprägt hat. Das war alles ein Mischmasch aus seelischer Kälte, emotionaler Erpressung, auch psychischem Missbrauch und den sexuellen Grenzüberschreitungen, die eigentlich so früh in meiner Kindheit angefangen haben, dass ich sie als solche gar nicht wahrgenommen habe. Ähnlich wie Sie nahm mich auch das Nichtredenwollen meiner Eltern mit - sie sind bis heute der Überzeugung, dass sie alles richtig gemacht haben. Ich habe es in einem Anflug von Hoffnung noch einmal versucht, mit meiner Mutter zu sprechen, und sie blieb eiskalt dabei und lenkte statt dessen das Gespräch immer wieder darauf, wie schwer sie es gehabt habe. Ich bin heute der Auffassung, dass das nicht zu ändern ist, und dabei ist es vollkommen unerheblich, ob sie nicht will oder nicht kann. Die Konsequenz für mich war, den Kontakt zu meinen Eltern einzustellen.

Insbesondere im Bezug auf meinen Vater war mir das wichtig, weil er bar jeglicher Einsicht in sein Verhalten sämtliche Menschen seiner Umgebung zu seiner eigenen Stabilisierung und Befriedigung missbraucht - das meine ich nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Letzten Endes dreht sich alles um ihn und sein Wohlergehen, und ich habe beschlossen, dass ich einen solchen Menschen nicht in meiner Nähe haben möchte.

Schmerzhaft und traurig bei diesem Kontaktabbruch war vor allem das Fahrenlassen aller Hoffnung. Es ist tatsächlich ein bisschen wie die Trauer nach einem Todesfall. Manchmal ertappe ich mich selbst dabei, wie ich mir - ganz aus heiterem Himmel - vorstelle, meine Eltern äußerten endlich einmal ihren Stolz auf mich, aber es ist ganz ähnlich wie bei Ihnen: Ich habe es nie richtig gemacht, war immer mangelhaft, entsprach nicht den Vorstellungen. Auch nicht mein Mann, meine Arbeit, meine Freizeit, mein ganzes Leben. Irgendwann wurde es Zeit, diesen Claim zurückzuerobern, und das bedeutete eben, die Wertungen dieser Menschen vollkommen loszulassen. Gelingt mir meistens, nicht immer.

Das Problem mit elterlichen Lebensentwürfen ist, dass sie nicht nur Entwürfe, sondern Maßstäbe sind, die mitbestimmen, wie wir uns entwickeln, fühlen, wie wir mit unseren Emotionen umgehen, wie wir uns selbst erleben. Es ist ziemlich verschrieen, Eltern für alles verantwortlich zu machen, und ich bin auch der Auffassung, dass man sich aus dieser Haltung herausentwickeln muss. Trotzdem finde ich es wichtig, anzusehen und anzuerkennen, was die Eltern falsch gemacht haben und welchen Schaden das bei einem angerichtet hat, denn wenn man das leugnet, vergräbt, verdrängt, dann ist keine Basis für eine Entwicklung da. Die Gründe, warum Eltern tun, was sie tun und sind, wer sie sind, sind zweitrangig. Es ist so wichtig, nicht vorschnell zu entschuldigen und dann weiterzumachen wie bisher. Sie können es nicht wieder gut machen, es ist Geschichte. Das klingt hart, ist aber gleichzeitig auch eine enorme Chance, denn es ist vorbei. Heute ist man kein Kind mehr, heute hat man ein eigenes Leben.

Sie haben da eine Menge gemeistert, wie ich finde, insbesondere im Bezug auf Ihr Kind. Darf ich neugierig fragen, wie alt Ihre Tochter (ist doch eine Tochter, oder habe ich mich verlesen?) jetzt ist? Das ist Ihr Leben. Seien Sie ein bisschen stolz drauf. Das ist wichtig und mehr als erlaubt, vor allem, wenn andere es nicht sind.

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Mailentwurf....
schon in Arbeit. ;-)

Übrigens zum Thema "Vertrauliche Mails":

Vorgestern bekam ich passend zum Thema Briefgeheimnis eine Mail einer kirchlichen Organisation mit eingebautem Hinweis:

"Diese E-Mail ist vertraulich. Wenn Sie nicht der vorgesehene Empfänger sind, verwenden Sie bitte keine Inhalte dieser E-Mail und leiten sie auch nicht weiter. Wenn Sie fälschlicherweise diese E-Mail bekommen haben, informieren Sie uns bitte umgehend und löschen dieses Dokument."

Ich werde diesen Satz bei Bedarf übernehmen. Da kann dann keiner mehr sagen, er habe von nichts gewusst.

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Letzte Aktualisierung: 2014.07.26, 12:50
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