nucleus-magazin

Montag, 24. September 2012

Kürzlich kam ein Buch zurück.

Im Jahr 2005 hatte ich es meiner Mutter zu ihrem Geburtstag geschenkt:
"Mutter Tochter Weisheit. Wege zu körperlicher und seelischer Gesundheit." Der Inhalt widmet sich in sehr umfassender Weise der weiblichen Existenz. Mit vielen ungewohnten Sichtweisen und Sehperspektiven lässt er sehr viel Raum für eigenes Sein. Ein vielseitiges Buch.

Damals, als ich das Buch verschenkte, war ich noch auf der Suche nach einer gemeinsamen Verständigungsebene mit meiner Mutter. Es war das Jahr, in dem ich einige handfeste Erfolge vorweisen konnte und meinen Eltern endlich etwas zeigen konnte, von dem ich ausging, dass es zu den Dingen gehörte, die sie interessierten und in denen sie bereit waren, mir Anerkennung zu schenken. - leider erwies es sich als Trugschluss. Es traf mich unerwartet und sehr hart. Jahrelang hatten sie mir zu verstehen gegeben, dass sie an mir und meiner Person nur mein beruflicher/studientechnischer Erfolg interessierte - und nun - blankes Desinteresse, selbst daran.

Das habe ich nicht gut überstanden, ich erkrankte plötzlich und habe mich davon bis heute nicht mehr erholt.

Ich bin in allem unerwünscht. Das hat sich eingebrannt.

Leider schaffe ich es nicht immer, dies mit dem Angenommenwordensein durch meine Großeltern zu kompensieren.

Nicht unbedingt jeder überdenkt im Moment des Zeugungsaktes, was in den darauf folgenden Jahren und Jahrzehnten damit einhergeht - eine Erweiterung des eigenen Lebens durch einen Menschen, der zunächst einmal ganz viel unbedingte Zuneigung und Zärtlichkeit benötigt und im weiteren eine unsichtbare Unterstützung. Ich kenne eine Frau, deren Mutter viele Tausend Kilometer entfernt wohnt, die ihr aber die wichtigste Unterstützung und Kraftquelle ist.

Aus Anlass eines Geburtstages sprachen meine Mutter und ich gestern miteinander. Ich fragte sie, warum sie mir das Buch zurückgesandt habe. Sie antwortete: "Manchmal müssen die Dinge ihren Besitzer wechseln."

Beim Erstellen des Bildes "daughters aiming at stars" fiel es mir dann auch wieder auf - ich bin nicht nur Mutter, sondern auch Tochter. Ich vergesse das gerne.

Was bin ich für eine Tochter? Eine immer noch zu sichtbare.

Vor wenigen Wochen hatte die immer kerngesunde und einzige Schwester meiner Mutter einen schweren Schlaganfall, - erfahren habe ich davon bei facebook über die Pinnwand meiner Cousine, spätabends um 22.30 Uhr.......Nachdem ich meine Eltern nicht erreichen konnte, habe ich es gewagt, die Nachbarn zu involvieren.

Was für einen Stress haben meine Eltern mir deswegen gemacht! Nichts sei so wichtig, dass sie davon nicht auch noch morgens erfahren könnten und dies gelte auch für Notfälle, ab 20h seien sie grundsätzlich für niemanden mehr erreichbar, fertig!

Ich verteidigte mich damit, dass meine Tante auch hätte sterben können und vielleicht hätte meine Mutter sie vorher gerne noch einmal gesehen - ach, hoffnungslos.

Heute nun sah ich diesen neuen Link, in dem die Autorin des oben genannten Buches mit wiederum sehr interessanten Thesen vorgestellt wird:

http://femininelesbians.wordpress.com/2012/09/22/colonized-third-world-country/

Was meine Mutter betrifft - als ich jünger und eigentlich noch ziemlich klein war, war ich schon sehr unabhängig von ihr, mit vier Jahren war ich kaum zu Hause und fiel ihr nicht auf die Nerven und sie nicht mir.
Als ich mit 22 Jahren schwanger wurde und sie mich aus dem Haus warf, fiel es mir zum ersten Mal richtig auf, wie sehr sie mir fehlte und je älter ich wurde, desto mehr fehlte sie mir. Hypothetisch wahrscheinlich - denn im echten Kontakt gab es kaum mehr als Vorwürfe, Sticheleien, Schreiereien und Ausweichen.

Ich sollte mir keine Sorgen mehr um ihr Seelenheil machen, ich wollte auch immer, dass es ihr gut geht - wahrscheinlich war das einfach nicht meine Aufgabe.

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Ich staune immer wieder, wenn ich lese, wie sehr sich Erfahrungen mit Müttern bzw. Eltern gleichen:

Jahrelang hatten sie mir zu verstehen gegeben, dass sie an mir und meiner Person nur mein beruflicher/studientechnischer Erfolg interessierte
(...)
Ich bin in allem unerwünscht. Das hat sich eingebrannt.
(...)
fiel ihr nicht auf die Nerven
(...)
im echten Kontakt gab es kaum mehr als Vorwürfe, Sticheleien, Schreiereien und Ausweichen.


Daher fühle ich sehr mit Ihnen. Fühle Schuldgefühl und Wut, fühle Zurückweisung und Enttäuschung.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie darüber hinauswachsen. Es kostet Kraft und Übung, aber wie es scheint, ist das Leben so. Alles Gute!

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stürmisch
Liebe Sturmfrau,
danke für Ihre Worte.
Lange bevor ich diesen Blog eröffnete, habe ich über pito schon von Ihnen gehört, erzählte er mir von Ihren lebensbewegten Seiten, so manches Mal sah ich ihn darin lesen.
Was mich betrifft, ich habe auch schon in Ihren Texten gelesen und kann das "nur" spiegeln, was Sie mir geschrieben haben - ich habe auch mitgefühlt und dieses Mitfühlen birgt immer eine Bipolarität in sich - es zieht einen mit in das Elend und gleichzeitig möchte man zurufen: Ich verstehe Dich, ich (unter)stütze Dich mental oder aktiv, da heraus zu kommen: Damit man eine lebenswerte Gegenwart und Zukunft schafft.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie es sich immer wert sind!

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Ich bin fest davon überzeugt, dass Gegenwart und Zukunft lebenswert sein werden, für Sie, für mich und für die vielen anderen Menschen, die so fühlen, aber vielleicht glauben, sie seien verkehrt oder damit mutterseelenallein (im Sinne des Wortes). Manchmal braucht man jemanden, der einen daran erinnert, dass es sich lohnt, sich im Leben festzubeißen. Vielleicht gerade weil diejenigen, die es einem schenkten, das nicht vermitteln konnten.

Ich bin immer wieder erstaunt über das Verstehen und die unbefangene Anteilnahme anderer - im virtuellen Dorf erst recht. Um so mehr freue ich mich. Und lese immer wieder gern bei Ihnen, auch wenn mir selbst bisweilen die passenden Worte fehlen.

Achten Sie auf sich.

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Im Leben festbeißen....
ja, das ist sicher ein wichtiger Punkt.

Es kommen Gefühle vor, die dieses Ungeliebtsein auf mein Empfinden mir selbst gegenüber projizieren, ein Annehmen der eigenen Person ist in solchen Momenten praktisch nicht möglich. Ein Recht auf Festbeißen scheint dann weit weg. Ich bin von meiner Veranlagung her weder Masochist noch Sadist, neige in solchen Momenten aber sehr zu einem solchen "Spiel" mit mir selber. Irgendwann kommt dann wieder ein Punkt, der die Sinnfrage einfach in Frage stellt und auch direkt und frech "fragt": "Und - willst du Dich umbringen? Nein, dann sieh zu, dass Du das Beste aus Deinem Leben machst!" Und dann geht es wieder.
Weiter.

Aber ich möchte natürlich auch Verbesserungen sehen. Schritte, die ich gegangen bin, sollen dahin führen.
Die gibt es, aber oft dauert es mir - gefühlt - einfach alles zu lange. Ich habe zwar einen langen Atem, aber bin auch jemand, der gerne zeitnah schon Erfolge sehen möchte. Ein bisschen schwierig zu vereinbaren.

Insgesamt könnte ich auch ein wenig geduldiger, sanfter und lieber mit mir selber sein. Früher konnte ich nicht mal lange weinen, irgendwann kam immer so ein Moment von, nee, jetzt reiß Dich mal zusammen.
Da ist etwas in Gang gekommen, was auf jeden Fall eine nettere Behandlung meiner selbst verspricht. ;-)

Das Schreiben darüber in meinem Blog hat mir sehr dabei geholfen. Es ist wie ein öffentliches Versprechen, das man sich selber gibt. Nicht alles gelingt, was man sich vornimmt, nicht alles hält man durch.
Aber ich bin auf dem Weg zu mir selber, auf eine Weise wie ich es mir nie vorgestellt hatte.

"Achten Sie auf sich."

Ein mehrdeutiger, sehr passender Rat. Danke dafür!

Auch dass Sie hier lesen, freut mich sehr -
ich hatte öfter darüber nachgedacht, inwieweit die Blogger hier untereinander lesen.

Danke, sturmfrau, für Ihr MitSchreiben !!!

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Das alles kommt mir so bekannt vor. Ich habe solche Momente auch erlebt, in denen das Recht auf Sein sich in Luft aufzulösen schien, in denen man sich selbst derart nichtig vorkam, dass jeder weitere Atemzug ein Ding der Unmöglichkeit schien. Sie werden seltener, diese Momente. Aber es gibt sie.

Als ich mal von meinem Gefühl erzählte, nicht das Recht auf ein Dasein zu haben, sagte mir jemand: "Aber Du bist doch!" Das ist so bestechend einfach und wahr, dass ich versuche, mich daran zu erinnern. Egal, ob jemand mir das Recht zugesteht (inklusive ich selbst), ich bin. Es ist, wie wenn man trauert. Trotzdem macht man einen Atemzug nach dem nächsten. Oder um es mit Ihren treffenden Worten zu sagen: Man bringt sich nicht um.

Es ist zum Heulen, wenn man immer wieder an so einen Punkt kommt, an dem der alte Seinsschmerz auftaucht. Es macht unerträglich müde, bisweilen lebensmüde. Aber mit dem Heulen tun nicht nur Sie sich schwer, mir geht's genau so. Zu nachhaltig haben wir doch gelernt, dass es nicht in Ordnung ist, sich selbst zu beweinen, die Umstände zu beweinen. Rücken gerade, Brust raus, Zähne zusammenbeißen. Nimm Dich nicht so wichtig! Dabei macht das erst recht müde, und wir leben an uns selbst vorbei.

Das Schreiben darüber in meinem Blog hat mir sehr dabei geholfen. Es ist wie ein öffentliches Versprechen, das man sich selber gibt.

Genau so ist es.

Ganz herzliche Grüße!

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Letzte Aktualisierung: 2014.07.26, 12:50
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