nucleus-magazin

ohne die vielen vielen stunden die ich einfach lief, saß, wolken und das wasser betrachtete, wäre es noch schwerer gewesen.
ich weiß nicht, ob andere menschen das leben auch so empfinden.
wahrscheinlich nicht.
andererseits, wer weiß?
es kam wieder soviel zusammen.

ein neuer job.
gräberpflege bei meinen großeltern.
plötzlich leuchtet mir zwischen den gräbern meiner großeltern auf dem neuen Feld ein helles Kreuz entgegen. keiner hat so eines und ich lese, was darauf steht und möchte es nicht wahrhaben.
nein, das kann doch nicht sein. ich schaue auf die lebensdaten:
1988 - 2012.
eine junge frau, die ich gut kannte, mit der ich in meinen ersten gelsenkirchener jahren viel kontakt hatte. ich rufe eine enge bekannte von ihr an.

Tod durch Herzanfall.
Sie hinterlässt eine Tochter, die schon keinen Vater hat.
Keiner weiß, wie es für das Kind nun weitergeht.

Als wäre das nicht schon schockierend genug, nehme ich beim Telefonieren langsam die Lebensdaten der anderen Verstorbenen wahr. 2001 - 2012. Ich erzähle es am Telefon. Ja, noch eine tragische Geschichte, die kleine Nachbarin, im Straßenverkehr verunglückt, ich habe sie als Baby wohl gesehen. Daneben noch ein Mädchengrab, 2004 - 2012, und eines für einen Jungen und das alles auf einem allgemeinen Feld.

seit diesem tag sind etwas mehr als zwei wochen vergangen.

die trauer ist so wortlos.

ich werde jetzt immer an ihrem grab vorbeikommen und an sie denken. an ihren humor und ihre kesse art, aber auch daran, dass sie nicht gefördert wurde. sie war intelligent, aber man wollte sich keine mühe mit ihr geben. ich habe es versucht, habe sie unterrichtet, aber ich musste mir von den erziehungsberechtigten immer anhören - sie braucht nicht zur schule gehen, sie kann auch von sozialhilfe leben. so war es dann auch. abgangszeugnis und feddich.

zornige trauer.

zeitgleich soviel existenzbedrängendes.
und bittere erkenntnisse.

Wesentlich zu sein das Ziel - der Weg dahin so schwer.



Nacht, Jürgen Kramer.