nucleus-magazin

Jetzt ist er bei mir eingezogen.

Nach einigen Wochen des Trocknens im Gang und begehrlichen Blicken von Besuchern, die ihn schon als Gartentisch oder Kunstobjekt sahen, liegt er nun bei mir unterm Tisch.

Es ist natürlich nicht wie beim Hundertwasser....
und
lediglich ein Baumrest.

Aber ein Baum mit Geschichte.

Wieviel Kinderwagenräder, Roller, Fahrradreifen, Zwei- und Vierbeiner, Liebespärchen, miteineinander verbundene Hände und Gebetsketten er wohl gesehen hätte, hätte er Augen gehabt, wieviel schwangere Bäuche, Sonntagsanzüge und Kleidchen? Wieviel Rauch und Bierduft schon um seinen Stamm waberten und Bälle abprallten - und wieviel Hunde sich an ihm verewigten.

Welche Gespräche er wohl mitbekommen hätte, hätte er Ohren gehabt - von Kohlenkauf und Konfirmationstorte, Tante Ernas Krampfadern und Heinrichs Schulversagen, Arbeitsplatzabbau und der Gehaltserhöhung. Vielleicht gar Heiratsanträge oder Geständnisse, Deals oder krumme Touren?

Und was hätte er wohl gesagt, wenn er über die Winterkälte, Kyrill oder die Sommersonne hätte sprechen können - geschweige denn vom sauren Regen?

Wie war das Verhältnis zu seinen Nachbarn, war er stolz auf seine Größe, seine Äste und Zweige, Blätter und Stamm?
Kam er mit dem Moosbefall zurecht und was machte ihn so krank, dass er nun gefällt werden musste?

Ein Alleebaum des Stadtgartens.

Auf der Suche nach einem Foto dieser Allee stieß ich vorhin auf dieses Bild:



by Jürgen Kramer

http://www.gelsenkirchener-geschichten.de/viewtopic.php?p=13357#13357



Und so schließen sich die Jahresringe.