nucleus-magazin

Sonntag, 15. April 2012

Ein junger Mann mit einem Firmen T-shirt, gesenkter Kopf, müde, aber aufrecht. Blick nach innen, Blick nach außen - auf eine riesige schwarze Vase mit totem Inhalt.
Unter der Vase eine Steckdose.
Verführerische Depressionsenergie.
Sein linker Daumen zum eigenen Halt unter die Finger gepresst, die rechte Hand beschwert und gestützt von einer Tasse mit begrenzt wärmespendendem Inhalt.
Der Stuhl nur ein Hocker, er kann sich nicht anlehnen. Die rote Farbe der Sitzfläche steht für die Energie, die der junge Mann noch be-sitzt.
Ihm gegenüber sitzt niemand. Der Hocker liegt schon umgedreht auf dem Nachbartisch. Es wird auch niemand mehr kommen, er ist der letzte Gast.
Beim Blick aus dem Fenster sieht man die Stadtsilhouette, die keinen Blick auf den Himmel mehr freigibt.
Ein rotes Band scheint aus der Silhouette hinaus zu führen, doch das Wesen und die Botschaft sind nicht zu entschlüsseln.
Stattdessen der Kopf des Mannes vor den grau scheinenden Fensterscheiben, ein fehlendes Spiegelbild. Wer ist er?

Hinter dem Mann eine Gestalt, die schon einmal mit dem Abwischen begonnen hat. Sie kehrt ihm den Rücken zu.
Im Fenster dahinter der Sonnenuntergang, eingezwängt, aber gerade noch wahrnehmbar.
Vielleicht ein Hinweis darauf, dass es sich nicht um eine klassische Reinigungsfrau handelt.
Die Gestalt hat viel zu tun, ein kritischer Blick zeigt eine Unzufriedenheit mit Geschehnissen an, die nun wieder beseitigt werden sollen. Die angedeutete Reklametafel, halb verborgen durch den Kopf, steht für irgendein Casino, das Geld und Glück gepachtet zu haben scheint, in Wirklichkeit jedoch wie alle seiner Art, vorsätzlich und legal seine Kunden täuscht.
Der blaue Wischlappen - in der Farbe des Himmels, steht er für die Reinheit der Seele. Das Fingerzeichen deutet die göttliche und menschliche Natur der Gestalt an. Ein wenig strahlt von der Gestalt auf den jungen Mann ab, stärkt ihm den Rücken, aber er nimmt es (noch) nicht wahr.

Eigentlich wollte ich etwas ganz anderes darstellen.

Beim Besuch einer Lokalität kurz vor Toresschluss gestern Abend, fiel mir ein Pärchen im Alter von ungefähr Mitte 50 auf. Beide saßen sie in den blauen T - Shirts ihrer Warenhauskette am Tisch und aßen.
Sie sahen völlig fertig aus, sprachen nicht. Die Frau war ungeschminkt, das Gesicht von Alter, Übergewicht und Entbehrungen aus der Form geraten. Der Mann wie versteckt hinter seiner Brille.
Hinter ihnen fing die Bedienung schon mit dem Abräumen und Abwischen der Tische an.
Sie war etwa im gleichen Alter und sah ebenso erschöpft aus. In ihrem hageren und ausgezerrten Gesicht spielten die Muskeln unruhig hin und her. Auch sie im firmeneigenen Shirt, das durch seinen Farbton die Müdigkeit noch unterstrich.
Feierabend.
Eine geradezu hoffnungslose Szenerie für einen Samstagabend.
Bis - das Pärchen aufstand und er ihr behutsam in den Mantel half.


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Letzte Aktualisierung: 2014.07.26, 12:50
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