nucleus-magazin

Samstag, 7. April 2012

Immer wieder begegnet mir Khalil Gibran.
Irgendwer hängt ein Gedicht von ihm an eine Mail. Manch einer schmückt seine Webseite mit einem seiner Zitate. Lebensweisheitsbücher haben ihn im Dauerabo - wenn man liest, liest man irgendwann auch Gibran.

Im großen Bücherstapel, der heute im Paket kam, war auch ein Buch von Khalil Gibran.
Ich habe es mir bestellt.
Um ihn auch einmal im Ganzen wahrzunehmen.
Die drei Bücher "Der Prophet", "Der Narr" und "Der Wanderer", vereint in einem Band.

"Der Prophet" beginnt mit vielen v-o-n-s.

VON der Liebe ist das erste in Worte Verwandelte.

Mal hineinlesen:

"Dann sagte Almitra:
Sprecht zu uns von der Liebe.

Und er hob seinen Kopf und betrachtete die Menschen und sie wurden still.
Und mit lauter Stimme sagte er:
Wenn die Liebe euch streift, so folgt ihr.
Auch wenn ihre Wege hart sind und steil.
Und wenn ihre Flügel euch umhüllen, so gebt ihnen nach.
Auch wenn das Schwert euch verwunden mag, das ihre Schwingen verbergen.
Und wenn sie zu euch spricht, so glaubt ihr.
Auch wenn ihre Stimme eure Träume zerrüttet, so wie der Nordwind euch den Garten verwüstet.

Denn wie die Liebe euch krönt, so kreuzigt sie euch.
Und wie sie euch auch wachsen lässt, so schneidet sie euch auch zurück.
Und wie sie an euch emporsteigt und eure zartesten Triebe zärtlich umkost, die in der Sonne erzittern,
Ebenso steigt sie zu euren Wurzeln hinab und rüttelt an ihrem Halt in der Erde.
Wie Korngarben lädt sie euch auf.
Drischt euch, um euch zu entblößen.
Siebt euch, um euch von Spelzen zu befreien.
Mahlt euch zu gänzlicher Weiße.
Knetet euch, bis ihr gefügig seid;
Und übergibt euch dann ihrem heiligen Feuer, damit ihr zu heiligem Brot für Gottes heiliges Mahl werdet."

Pause erstmal.
Das klingt alles nicht so, wie man normalerweise Liebe geschildert bekommt.
Es klingt eher nach unangenehmer Wahrheit.
Es klingt auch nicht so, als ob man das unbedingt bräuchte.
Es klingt nach Widersprüchlichkeiten und jeder Menge Tränen.

Es klingt eher so, wie etwas, das ich vor einger Zeit las:

tut euch Liebe an.

"All diese Dinge wird die Liebe euch antun, damit ihr die Geheimnisse eures Herzens erkennt und in dieser Erkenntnis euch verwandelt in einen Teil des einen Herzens des Lebens.

Doch solltet ihr in eurer Angst nur den Frieden der Liebe und die Freuden der Liebe erstreben,
Dann ist es besser,
eure Blöße zu bedecken und den Dreschplatz der Liebe zu verlassen.
Und die gleichmütige Welt zu betreten,
in der ihr lachen sollt,
aber nicht all euer Lachen,
weinen sollt,
aber nicht all eure Tränen.

Die Liebe gibt nichts als sich selbst und
nimmt nichts als von sich selbst.
Die Liebe besitzt nicht
noch kann sie besessen werden.
Denn die Liebe ist nur sich selbst, der Liebe, genug.

Wenn ihr liebt, dann sollt ihr nicht sagen:
"Ich trage Gott im Herzen", sondern eher: "Ich bin im Herzen Gottes."

Wieder Pause.

Im Herzen Gottes zu sein, ist eine nicht vorstellbare Dimension.
Jedenfalls ist man dann nicht bei sich.
Bei Gott sein.

Wenn lieben bei-Gott-sein bedeutet, dann wird viel Unbegreiflichliches aber auch wieder klarer - in dem Sinne, dass es sich nicht dem Maß von Menschenverständnis annähern wird.

"Und glaubt nicht, dass ihr den Kurs der Liebe bestimmen könnt, denn die Liebe, wenn ihr es ihr wert seid, wird euren Kurs bestimmen.

Die Liebe leitet kein anderer Wunsch, als sich selbst zu erfüllen.

Wenn ihr aber liebt und nicht anders könnt, als zu wünschen, so seien dies eure Wünsche, euer Verlangen:

Dahinzuschmelzen
und zu sein wie ein sprudelnder Bach,
der seine Weise der Nacht entgegensingt.
Den Schmerz zu kennen
von übergroßer Zärtlichkeit.
Verletzt zu sein
von eurem eigenen Verstehen der Liebe.
Und willig und freudvoll zu bluten."

Liebe ist Hingabe.
Kontrollverlust.
Machtverlust.
Ohnmacht?

Weiter zu den abschließenden Worten:

"Zu erwachen am Morgen mit einem beflügelten Herzen und für einen weiteren Tag der Liebe zu danken.
Um die Mittagszeit zu ruhen und die Ekstase der Liebe zu überdenken.
In der Abenddämmerung voll Dankbarkeit nach Hause zurückzukehren.
Und dann zu schlafen mit einem Gebet für die Lieben im Herzen und einem Lobgesang auf den Lippen."

Danke, Herr Gibran, der Sie Liebe erklärten, ohne das Wort Glück auch nur zu streifen.

Danke für das-Ganze-sehen.

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Letzte Aktualisierung: 2014.07.26, 12:50
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