nucleus-magazin |
Montag, 2. Januar 2012
veicolare, topic: Lebenslust, 21:26h, Klicks: 1129
Beim Blick in meinen Reisepass wunderte ich mich früher darüber, dass "Sex" als das englische Pendant zu "Geschlecht" verwendet wird.
Mein "Sex" wurde dort als großes F vermerkt. Mein Sex war nie F. Er war aber auch mangels ernsthaft erwogener Möglichkeit nie M oder vielleicht -, was man neuerdings als Genderangabe vermerken kann. F war ich nicht, bis ich mich dazu entschied. Ich war der Junge. In allen Geschäften in der Stadt, - im Dorf wusste man, dass ich ein Mädchen war - fragten die Verkäufer, was denn dem Jungen gefiele, ob ich, der Junge, mich dafür interessiere, möchte der Junge eine Scheibe Wurst? Ich verdrehte nicht mal die Augen. Ich wusste, dass die Leute meinen Kurzhaarschnitt in Kombination mit dem lässigen Unisexlook eines 70er Jahre Kindes in Gedanken zu einem Jungen zusammenführten. I didn`t mind. Junge sein war sowieso erstrebenswerter als ein Mädchendasein, von dem ich ausging, dass es sich irgendwo zwischen zartem Wimpernschlagbetrug und einsamen Langeweiletränen abspielen würde. Draußen sein, Fahrrad-, Kettcarfahren und Zuhause mit der Eisenbahn, ja auch Puppen, aber die waren eher Heileweltersatz, Junge sein ging bis zur Pubertät immer durch. Pubertät - Regelblutung, Brüste, nee, was habe ich das gehasst, diese Brustwarzen, die durch jedes T-Shirt durchlugten, kaltes Wasser half immer nur begrenzt und - BHs das MUSSTEN die anderen tragen, die mit C und mehr und überhaupt BHs waren für mich die Krönung weiblicher Fesseln, ich mochte schon keine Strumpfhosen.... Was macht man als Junge, der gerade zur Frau wird? Man wird zum - - war in meinem Fall Punk. Aber eher so mit Chic, die britische Kultur gefiel mir schon immer. Stolz war ich auf mein Paar Doc Martens, das ich in SOHO für 50 Pfund gekauft hatte - nein, nicht so derbe Riesendinger, sondern ganz zart aus schwarzem Wildleder. Dazu Minirock, schwarzer Pulli und meine Haare an den Seiten ordentlich rasiert mit Strähne vorne und hinten. Ich gefiel mir gut. Punk - und irgendwie Mädchen. Ja, außen irgendwie Mädchen, aber innen immer noch nicht. So langsam wollte ich mal einen Freund haben, aber keinen Punker, die waren mir dann etwas zu trinkfreudig. Also laaangsam die Haare wachsen lassen, laaangsam die Kleidung wechseln. Ich bekam meinen ersten richtigen Freund. Einen prima Spießer, abgebrochener BWL - Student, Fahrlehrer und sehr bedacht auf seine Außenwirkung: "So kannst Du nicht rumlaufen, wenn ich mich mit Dir zeigen soll." Ich habe mich nach kurzem Kampf nach seinen Wünschen umgestylt. Lange blonde Haare, mit Dauerwelle und Espritklamotten, das nette Mädchen von nebenan. Das blieb ich, wenn auch die Frisur und Farbe wechselten. Von 1992 - 2011. Und innen immer ein M. Fotos von mehr oder weniger ungelungenen OPs schreckten genauso wie die ungemein maskulinen Frauen, die sich Transmänner nannten und sowieso, Frauen hatte ich nie in Erwägung gezogen. Ich legte meinen Sex ad acta. F war ich nicht, M war ohne Einbußen nicht zu schaffen und - war mir zuwenig. Mein Sex hatte keinen Namen. Gerade als ich begann, mich damit abzufinden, tauchte eine Frau auf, die ich schon immer als anders empfunden und geschätzt hatte. Sie war schneller als ich, ich war einfach noch nicht soweit. Sonst hätte ich mich anders verhalten können. It took me by surprise. Von einem schwulen Mädchen zu einer Lesbe? In zwei Sekunden? Nachdenken hilft wenig, nachfühlen ist schwierig, wenn die gesamte Beziehung plötzlich abgebrochen wird. Also überwand ich mich und begann Literatur von und über lesbische Frauen zu lesen. Homosexualität an sich war kein Problem, habe mich nie als heterosexuell empfunden, aber Frauen bin ich immer mit latentem Misstrauen begegnet. Ich begann mit Mirjam Münteferings Buch "Wenn es dunkel ist, gibt es uns nicht", das war als Einstieg ok, aber irgendwie zu alltagsschildernd oberflächlich und das mir nicht wirklich weiterhalf. "Keeping You a secret", auf Deutsch "Du bist mein Geheimnis" von Julie Anne Peters, einer Amerikanerin, dagegen schon, endlich konnte ich lesen, was ich empfunden hatte. Zur Abwechslung gönnte ich mir dann mal etwas queeres Leben aus Berlin in der Neuerscheinung von Tania Wittes "beziehungsweise liebe", das im Vergleich zum Alltag in einer verschlafenen deutschen Kleinstadt sehr variationsreich daherkommt, aber in seiner Schilderung von ausgelebten Sehnsüchten und Charakterschwächen überzeugte. Dann noch einmal ein amerikanisches Intermezzo, Sara Ryans "Sommerküsse", für die jüngere Leserin, das sehr sinnlich daherkam und vor kurzem das neuerschienene Buch "She loves you, she loves you not", wieder von Julie Anne Peters und mein persönliches Highlight - vieles erinnerte mich an Situationen aus dem eigenen Leben, gut beobachtet geschildert auch die ziemlich selbstzweifelnde Seelenlage der Protagonistin und her way out. Alles eindeutige Geschichten vom Lesbisch- oder Bisein oder Homo oder ........welchen Namen der Sex noch tragen kann was mich betrifft - Ich bleibe bei meinem Vor- und Nachnamen, das ist sicher. Alles andere wird man sehen. Aus meinem Weihnachtsgeschenk: http://www.azlyrics.com/lyrics/kdlang/sorrownevermore.html
pito,
Samstag, 21. Januar 2012, 15:57
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veicolare,
Freitag, 4. Mai 2012, 12:17
Namensfindung
Braucht Sex eigentlich einen Namen?
Ich weiß es nicht und ich stelle immer wieder fest, dass dieses Thema bei mir nach einer gewissen Zeit der theoretischen Beschäftigung mit diversen Schubladenmodellen an Reiz verliert und in der Schublade der unsortierten Dinge verschwindet. Seitdem ich diesen Artikel verfasste, ist in dieser Hinsicht kein besonderer Erkenntniszuwachs zu verzeichnen gewesen. Ausgenommen vielleicht die Kommentare zweier Menschen - wahrscheinlich liebst Du einfach - den Menschen. Ja, so ist das. Einfach Menschen und nicht das Geschlecht, das Alter, die Hautfarbe, Nationalität.... Nun gibt es demnächst die Gelegenheit, sich ein bißchen zu "testen", irgendwie stört mich dieses irgendwie nämlich irgendwie. ... commentlink
veicolare,
Samstag, 5. Mai 2012, 17:13
directions
http://www.movedancewear.com/cat/jazz_pants_jazz_suits/112_151/
Figur gleich mitbestellen. ;-) Frack, Zylinder, Handschuhe. Notes aus der Schuhbestellung: "We advise that you either leave a note on your door for your postman...." ... commentlink ... comment |
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